Es ist der 13. Oktober 2019 10:04 Uhr. Der Startschuss für den ersten Startblock ist vor 4 Minuten erfolgt, nun  überlaufe ich die Startmatte und begebe mich auf die Reise meines vierten Marathonlaufes.

Mental gefestigt, absolut ruhig und ohne jeden Zweifel, dass ich die nächsten 42,195 KM überstehen werde. Die einzige Frage: Wie schnell werde ich es schaffen?

Woher konnte ich diese Gewissheit haben? Ich hatte mich ernährungstechnisch nun 1,75 JAHRE auf diesen Moment vorbereitet und in den letzten 12 Wochen habe ich mich nahezu sklavisch meinem Trainingsplan unterworfen.

Man sagt Marathonlaufen sei auch Kopfsache, und ich wollte (mir selbst) beweisen, dass man Marathon auch mit einer ketogenen Ernährung laufen kann. Warum ? Weil ich es will.

Was bisher geschah

2 Jahre zuvor bin ich den Köln Marathon gelaufen und habe, wie erwartet, bei KM 31 vom sog. „Hammermann“  die Klatsche bekommen. Daher wollte ich dem Hammer entkommen und habe meine Ernährung im Januar 2018 auf KETO umgestellt (siehe hierzu Lauftraining und ketogene Ernährung). 1,75 Jahre habe ich nur 50 g – 75 g Kohlenhydrate pro Tag zu mir genommen und mich hauptsächlich von Fetten und Eiweiß ernährt.

OK OK ich gebe zu, in diesem Sommer bin ich 2 mal nach einem 30 KM Trainingslauf dann doch mit der Familie in der Eisdiele gewesen und habe ein Spaghetti-Eis gegessen und ja das hat mich 100 % aus der Ketose geschmissen, aber sonst habe ich mich an die 50 – 75 g Grenze gehalten.

Zunächst fiel das schwer, aber mit der Zeit gewöhnt man sich daran und Brot, Nudeln und Kartoffeln reizen gar nicht mehr. Wenn die Familie Pizza isst, dann esse ich halt Steak und Brokkoli oder Hähnchen/Dönerfleisch mit Käse überbacken. Ich denke es gibt schlimmeres 😉 Zum Frühstück gab es entweder NIXX oder halt einen Bulletproof Kaffee.

Trainings(Experimente), Wettkampf & Erkenntnisse

Die ersten zwei bis drei Monate des Lauf-Trainings bei ketogener Ernährung waren eine reine Quälerei, die ich nur überstanden habe, weil ich mich ENTSCHLOSSEN hatte, das Ziel zu erreichen. Wenn man für sich eine Entscheidung getroffen hat, stellt man diese nicht bei jeder Schwierigkeit in Frage, sondern macht „what ever is needed“ um das Ziel zu erreichen. Und wenn man sich halt 3 Monate quälen muss, so ist diese Qual dem GROSSEN Ziel unterzuordnen. BASTA – keine Diskussion – auch und vor allen Dingen nicht mit der Familie (Junge wann isst Du denn wieder vernünftig ??).

Nach knapp drei Monaten war die alte Leistungsfähigkeit wieder hergestellt und im April 2018 lief ich den ersten Halbmarathon in Bonn in 1:38:13 – 7 Minuten schneller als meine Bestzeit „auf Carbs“. Es folgten 3 weitere Halbmarathons (1:40, 1:38 und 1:53). Zum Frühstück gab es jeweils nur Bulletproof Coffee. Beim Halbmarathon in Duisburg waren es während des Laufes 28 – 30 Grad warm (im Schatten), und man ist quasi ausgelaufen. So oft bin ich niemals nie auf dem Bürgersteig gelaufen, um etwas Schatten zu bekommen. Ferner erlaubte ich mir den Luxus, an den Wasserstationen Wasser zu mir zu nehmen, was mir zum Verhängnis wurde. Ca. bei KM 10 bekam ich einen ISO Drink in die Hand gedrückt und habe diesen getrunken. Das resultierte leider ab KM 13 in starken Bauchschmerzen und bei KM 17 musste ich dann mal für knapp 4 Minuten „in die Büsche“. Unschön, aber wie sagt man „was keine Miete zahlt muss raus“.

Mir war aufgefallen, dass ich bei den Wettkämpfen (ausser in Duisburg) immer bis KM 15 – 17 volle Leistungskraft hatte, und die letzten KM auf Reserve lief. Von daher musste eine Lösung gefunden werden, denn 4 KM auf Reserve kannst du machen, sieht dann aber sch… aus und beim Marathon liegen dann noch 26 KM vor dir.

In der folgenden Zeit unterhielt ich mich mit diversen „Experten“ und bekam immer gesagt „nun ja Halbmarathon ist zu schaffen, ABER Marathon ist ja ne ganz andere Hausnummer“.

Ja, dachte ich mir jedesmal „erzähl mir was Neues“. Bestätige mir doch nicht, dass ich ein Problem habe, gib mir eine Lösung. Aber keine konnte mir eine Lösung nennen.

Trainingsexperimente

Ein Problem oder eine Herausforderung ist dazu da, um gelöst zu werden. Ohne Unzufriedenheit und Widerstand gibt es keinen Fortschritt. Wie beim Krafttraining – erhöhst du nicht den Widerstand (die Gewichte, wachsen die Muckis nicht).

Welche Lösungsmöglichkeiten gab es nun? Ich experimentierte in den 12 Wochen der Marathon-Trainings mit verschiedenen Ansätzen mit mehr oder weniger Erfolg.

Während des Laufes z.B. einen zusätzlichen Bulletproof Kaffee (kalt aus der Trinkflasche) trinken, hatten Besuche in den Büschen zur Folge.

Mehr MCT Öl und Butter in den Kaffee vor dem Lauf, brachten nur unwesentlich länger Energie.

Erdnussbutter mit MCT Öl vermischt war wirklich unpraktisch.

C8 Öl – zu hochwertig

Eines Abends las ich nochmals im Buch „Der Keto Kompass“ im ersten Kapitel den Abschnitt über Koksöl. Kokosöl besteht also aus verschiedenen gesättigten Fettsäuren C6 – C24. Auf Seite 13 unten steht: „Prinzipiell können alle Fettsäuren zur Ketogenese verwendet werden. Ab einer Länge von 14 C-Atomen dauert dies jedoch länger …“ Die Menge der C-Atome bestimmt die Menge der Energie (ATP) die daraus gebildet werden kann.

HEUREKA

HEUREKA das erschien mir doch die Lösung zu sein. Caprylsäure (C8) im Kaffee wirken SCHNELL als Energielieferant, sind aber ebenso schnell auch wieder „verbrannt“.

Das erklärte mir, wieso ich beim Halbmarathon immer bis KM 15 – 17 Energie hatte. Danach war das Öl einfach aufgebraucht.

Ergo: Ich modifizierte mein Rezept für den BPC. Statt 30 g C8 Öl und 20 g Butter verwende ich nun eine Mischung aus 15 g C10/C8 Öl dazu 20 g Kokosöl und 30 g Butter. Da Kokosöl zu 47 % aus Laurinsäure C1, 18 % aus Myristinsäure C 14 besteht und Butter zu ca. 23 % aus Palmitinsäure C16, hatte ich mehr langfristig Energie (ich denke dass das nicht nur Placebo Effekt ist).

Mein Versuch Stearinsäure C18 zu bekommen scheiterte. Im lokalen Refromhaus wurde mir gesagt: „Nein wir sind kein Bastelladen, Stearinsäure wird zum Kerzen gießen verwendet.“ Und ich wollte nicht gleich 500g bei Amazon kaufen, denn wer weiss, wie sich Kerzenwachs in meinem Magen auswirkt 😉

Mit der neuen Mischung meines BPC – den ich dann auch erst 30 – 45 Minuten vor dem Laufen zu mir genommen habe, kam ich also weiter als bisher. Klar konnte ich jedes Training erfolgreich beenden, aber die letzten KM während des Trainings waren dann nie ein „Zuckerschlecken“ ääähhhh wieso heisst das denn so ???

KETONE BAR

Ketone Bar - KetosourceBeim Stöbern auf Amazon fand ich die Ketone Bars von Ketosource. Sie kosteten zwar ein halbes Vermögen (12 Riegel für 34 Euro), aber was tut man nicht alles für die Forschung.

Erfahrungen mit Ketone Bars von Ketosource

Geschmacklich sind die Ketone Bars sehr süß, aber kein „liebliches süß“ sondern, wie soll ich es ausdrücken, ein „anstrengendes süß“ und STAUBTROCKEN. Also es ist in meinen Augen kein Genuss die Riegel zu essen, aber „Ja mei, wenn´s schee macht.“

Laut Infografik sollte die Energie, die die Bars liefern nach ca. 1 Stunden auf Maximal-Level sein, und auf dem Level für ca. 2 – 3 Stunden bleiben. Ich gehe mal nicht davon aus, dass man für die 3 Stunden andauernde Energie einen Marathonläufer als Referenz genommen hat. In meinen folgenden Tests habe ich dann festgestellt, dass ich ca. 1,5 – 2 Stunden länger Energie hatte. Einen Riegel während des Laufens zu essen, geht, ist aber, da staubtrocken, eine kleine Herausforderung.

Ernährungsplan für den Lauf

Nach all den Tests, Fehlschlägen und Erfolgen stellte ich für den eigentlichen Lauf dann folgenden Plan auf.

  • Bulletproof Coffee in modifizierter Version ca. 1,5 Stunden vor dem Start.
  • 1 Ketone Bar 30 Minuten vor dem Start.
  • Bei km 14 und 28 jeweils ein Ketone Riegel.

Der Marathon Lauf

10:04 Uhr der Startschuss für den Startblock BLAU. Gut gelaunt und „siegessicher“ startete ich den Lauf. Was mich beim Start und die ersten 10 km immer nervt, dass man nicht „frei“ laufen kann, sondern immer im Verkehr steckt. Normalerweise gibt sich das nach 10 KM, aber dieses mal dauerte das wesentlich länger. Erst lag es an der hohen Anzahl der Läufer nachher eher an der doch relativ „engen“ Streckenführung.

Wie geplant gab es bei KM 14 den ersten Riegel, auf den ich verdammt lange gekaut habe. Stautrockener Riegel bei „Hächel-Atmung“ ist doch etwas anstrengend.  Glücklicherweise hatte ich meinen Getränkegurt dabei und konnte dann unabhängig von den ersten Verpflegungsstationen trinken. Bei KM 30 gab es dann den zweiten, der mir aber dann zu ca. 2/3 aus der Hand gefallen ist. Aber beim Laufen (in Köln) bleibst du nicht auf einmal stehen um dich zu bücken, weder nach Riegeln noch nach Seife 😉

Bis ca. 39 km lief dann auch alles wie erwartet, lediglich die letzten 3 km wurden anstrengender als geplant – irgendwann fängt der Körper an weh zu tun, mir sind die Arme wegen der gebeugten Haltung  zunehmend eingeschlafen und ich hatte Durst und nichts mehr zu trinken. Hatte ich bis dahin durchschnittliche km-Zeiten von 5:15 – 5:30 min / km so lief ich  die letzten 3 km mit Zeiten von 5:50 – 6:30 min / km.

Nach 3:49:07 Stunden überquerte ich die Ziellinie, glücklich und geschafft.

Fazit & Ausblick

Einen Marathon bei ketogener Ernährung zu laufen ist durchaus machbar und wenn man sich lange genug vorbereitet, auch ohne Stress zu bewältigen.

Es entfällt der sonst „übliche“ Stress „Was muss ich jetzt noch essen, wie schaffe ich es noch mehr Carbs zu speichern und ist Fleischsauce auf den Nudeln gut für mich?“ Ist der Körper erst einmal adaptiert, so gibt es keine wesentlichen Leistungseinbrüche und der Hammermann bleibt weg.

Würde ich es wieder machen? Ja, im Oktober 2020 steht der nächste Marathon in Amsterdam auf dem Plan. Wieder „auf Keto“.

Es wird also wieder spannend.